Impressum und Datenschutzerklärung
für einen natürlichen Geburtsverlauf
- Informationen für Hebammen und
für schwangere Frauen -
Ein Vortrag von Verena Schmid
(Leiterin der „Scuola elementale
di arte ostetrica“ in Florenz), aus dem Italienischen
übersetzt von Monika Schmid
Einführung:
Ein
natürlicher Geburtsverlauf benötigt einige Voraussetzungen, die heutzutage
selten geworden sind: ein Leben im Einklang mit der Natur, ihren Zeiten,
Rhythmen und Zyklen, Hebammen, die ihren Namen verdienen und die wissen, wie sie
gebärende Frauen begleiten und unterstützen können in diesem umfassenden,
einzigartigen und fundamentalen Vorgang, den eine Geburt darstellt.
Der Grund,
warum die natürliche Geburt heute im Begriff ist zu verschwinden, ist direkt in
unseren sozialen Lebensbedingungen zu suchen: rasend schnelle Rhythmen, die
Verpflichtung zur ständigen Leistungskraft, Wettbewerb, Erfolg, sofortige
Befriedigung der Bedürfnisse und Wünsche, Ablehnung des Schmerzes und nicht
perfekter Ergebnisse usw. Die schnelle Entwicklung der Technologie hat
Illusionen von Wohlstand und Sicherheit geschaffen. Menschliche Ausdruckskraft
und zwischenmenschlicher Beziehungen haben an Bedeutung verloren; dabei wird
vergessen, dass die Art der Beziehungen mit unseren Mitmenschen Gesundheit oder
Krankheit bedeuten. Wir wissen kaum mehr, wie wir Gesundheit herbeiführen oder
Krankheiten heilen können, dagegen können wir gut die entstandenen Schäden
durch immer komplexere Diagnostik-Instrumente feststellen.
Die
Hebamme dagegen, die das vom Standpunkt der Physiologie aus betrachtet ( wo
Geburt eine Verbesserung der Gesundheit bedeutet), ist in einer Krise: die
Anzahl der Kaiserschnitte ist ins Unermessliche gestiegen (Anmerkung: Italien liegt weltweit an erster Stelle, was die Sectio-Frequenz betrifft) und gleichzeitig auch die
mütterliche und kindliche Mortalitätsrate, die Technologie in der Geburtshilfe
hat keine signifikante Verbesserung der perinatalen Mortalität bewirkt, dagegen
aber die Qualität des Bondings sowie die Lebensqualität und Gesundheit der
Kinder verschlechtert. Noch nie zuvor gab es einen derartigen Anstieg von
Problemen rund um die Gesundheit von Vorschulkindern und Schülern sowie
wachsende Probleme von Jugendlichen.
Die
Reproduktionstechnologien, angeboten und genutzt in grober Art und Weise, in
der öffentlichen Meinung dargestellt als einfachster und kürzester Weg zur
Mutterschaft, sind in Wirklichkeit mit spärlichem Erfolg beschieden, bedeuten
beträchtlichen Stress für die Frau und das Paar, sind ethisch zweifelhaft und
produzieren viele Kinder mit Problemen wie Frühgeburtlichkeit
etc.
Und mitten
in dieser Krise taucht die Frage auf nach der Humanisierung der Geburt, die
Diskussion über natürliche Geburt, angemessenen Einsatz der Technologien,
vorgeburtliche Bindung, Geburtsvorbereitung, das Wiederauftauchen der „weisen“
Hebamme neben einer Frau, die maximalen Schutz und Beteiligung einfordert. Aus transkultureller Sicht betrachtet, können wir diesen
Prozess einbinden in die Rituale, die die Geburt und Fortpflanzung in jeder
Gesellschaft entsprechend ihrer eigenen Werte umgeben und die so die
Wertigkeiten innerhalb der Gemeinschaft mit denen des biologischen Prozesses
verbinden.
Eine der herausragendsten Eigenschaften einer natürlichen oder spontanen Geburtsarbeit ist die Rhythmik. Ein Rhythmus besteht aus Höhen und Tiefen, Beschleunigungen und Verlangsamungen und er ist individuell. Und da der Verlauf bestimmt ist von der Persönlichkeit und den Erfahrungen der einzelnen Gebärenden und dem Charakter des Kindes, ist er nicht kodifizierbar. Der Aspekt der Geburtsarbeit, in dem der Rhythmus am stärksten zum Tragen kommt ist die Wehentätigkeit. Wir alle wissen, dass der Geburtsschmerz ein intermittierender Schmerz ist, aber vielleicht lohnt es sich, die physiologische Bedeutung dieses Konzeptes genauer anzuschauen. In der Intermittenz besteht eines der großen Geheimnisse der physiologischen Geburt.
Das für
den Geburtsbeginn nötige Oxytocin wird aufgrund von
hormoneller Veränderungen bei der Mutter und in der Plazenta produziert sowie
aufgrund der Stimulation des Gebärmutterhalses durch die aktiven Bewegungen des
Kindes. Die noch unregelmäßigen und wieder aufhörenden Kontraktionen des Prodromal-Stadiums (der frühen Eröffnungsphase) sind die
Antwort auf diese erste Stufe des Oxytocins. Um zum
aktiven Teil der Geburtsarbeit mit seinen regelmäßigen und effektiven
Kontraktionen zu gelangen, braucht es einen regelmäßigen Stimulus, um eine
konstante und steigende Produktion von Oxytocin zu
erreichen. Dieser Stimulus wird durch den intermittierenden Wehenschmerz
gegeben. Der Schmerz bringt die Frau momentan in eine Situation akuten
Stresses, auf die sie mit einer Spitzen-Ausschüttung von Katecholaminen
reagiert. Diese provozieren, sofern sie in peaks
(Spitzen) ausgeschüttet werden, als paradoxe Antwort eine Oxytocin-Ausschüttung
und gleichzeitig die Produktion von Endorphinen. Sie lösen somit gleichzeitig
einen Anstieg der Kontraktionstätigkeit und eine steigende Schmerztoleranz aus.
Wir
wissen, dass die Katecholamine dagegen bei
kontinuierlicher Ausschüttung die Produktion von Oxytocin
hemmen und so die Geburt bremsen oder das Prodromal-Stadium
verlängern, ohne in die aktive Geburtsarbeit überzuleiten. Bei vielen
Geburtsstillständen bei 3cm Muttermundsöffnung können wir eine erhöhte
Dauerspannung der Mutter beobachten, begleitet von den Symptomen einer
exzessiven sympathikotonen Stimulation (fehlende
Entspannung). Die Wehenpausen sind also unbedingt nötig. Übertragen auf die
Hebammenkunst bedeutet das, dass wir großen Wert auf die Pausen zwischen den
Wehen legen müssen, weil die totale Entspannung zwischen zwei Wehen gestattet,
dass die Gebärende sich in einer Situation tiefer Ruhe ohne Streß befindet, was
das parasympathische Nervensystem aktiviert und den
Körper der Frau auf die Möglichkeit eines neuerlichen Katecholamin-Ausstoß
in der folgenden Wehe vorbereitet und somit auf einen erneuten Stimulus auf die
Oxytocin-Produktion.
Die
harmonische Zusammenarbeit der beiden neurovegetativen Systeme ist während der
Geburt besonders deshalb wichtig, weil das sympathische System verantwortlich
ist für das Zusammenziehen der Gebärmutter und der Parasympathikus
für die Entspannung des unteren Uterinsegmentes und
den Gebärmutterhals. Wenn die beiden Systeme nicht im Einklang arbeiten, sehen
wir uns konfrontiert mit spastischen Kontraktionen ohne Muttermundseröffnung, Distokien zwischen Gebärmutterkörper und –hals oder auch
mit hypertoner Wehentätigkeit und unproduktivem
Schmerz. Der harmonische Wechsel zwischen den beiden Systemen unterstützt also
erneut den Wechsel zwischen Wehenschmerz und Entspannung in der Wehenpause. Die
Hebamme kann einiges tun, um diesen Wechsel zu erleichtern und zu begünstigen,
indem sie die Frau mit ihrer Unterstützung durch den Schmerz begleitet und ihr
Handwerkszeug anbietet, um mit dem Schmerz umgehen zu können. Wie schon Dick-Read 1930 erkannte „ist der Schmerz nichts, mit dem
die Frau nicht fertig werden könnte.
Ein
anderer wichtiger Aspekt des Schmerzes als Hormon-Stimulator
betrifft die Produktion der Endorphine. Die Funktion der Endorphine ist nicht
ausschließlich das Vermindern der Schmerz-Wahrnehmung, in der fortgeschrittenen
Eröffnungsphase bewirken sie eine Bewusstseinserweiterung oder einen
trance-ähnlichen Zustand, der für die Hemmung des Neocortex
(Rationalität) nötig ist, sowie für die Dominanz derjenigen neurovegetativen
Funktionen, die die Geburt steuern. Darüber hinaus ermöglicht dieser Zustand
der Frau die völlige Aufgabe des eigenen ICHs und
ihrer eigenen Grenzen, die sie zur vollständigen Öffnung und Hingabe vor sich
selbst bringen. Dadurch wird sie bereit, sich von ihrem Kind zu trennen, um es
mit Freuden anzunehmen. Im dem Moment, in dem das Kind geboren und der Schmerzreiz zu Ende ist, finden sich
sehr große Mengen von Endorphinen, so dass die Frau Gefühle von Ekstase und
Euphorie empfindet, mit denen sie ihrem Kind entgegentritt und ihre Erfahrungen
als Mutter beginnt.
Den
Endorphinen wird auch die Eigenschaft der Abhängigkeit und Bindung zugeschrieben.
Bindung
ist die elementare Erfahrung, mit der ein Baby wächst und gedeiht. Eine
natürliche Geburt bereitet also den natürlichen Boden für das Kind,
gewissermaßen seinen Humus.
Nach
Wilhelm Reich ist die Fähigkeit zum Orgasmus die Fähigkeit, sich ohne Hemmungen
dem Fluss der biologischen Energie hinzugeben und die angestaute sexuelle
Spannung durch unwillkürliche rhythmische Kontraktionen zu entladen.
Die große
Kraft der Geburt, wenig bekannt, wenig verstanden, aber sehr gefürchtet,
besteht genau in der Tatsache, dass das Gebären für die Frau ein starker
Ausdruck ihrer spezifisch weiblichen und vom Mann unabhängigen Sexualität ist.
Eine Frau, die mit ihrer sexuellen Kraft gebiert, wird nach der Geburt eine
stärkere Frau sein. Stärker in jeder Hinsicht, aber insbesondere wird ihre
Orgasmusfähigkeit im Sinne von Reich gesteigert sein. Der Vermittler dieser
orgiastischen Erfahrung während der Geburt ist wiederum der intermittierende
Schmerz. Durch seine ständig wachsende Reize erhöht sich die Spannung im Körper
der Frau, besonders im Genitalbereich. Durch die Endorphine verbessert sich die
Fähigkeit der Frau, „sich im Fluss der biologischen Energien treiben zu
lassen“, durch die Hingabe in den Wehenpausen wird die Entspannung vertieft.
Wenn die
Spannung durch den Schmerz ein bestimmtes Niveau erreicht hat, bereitet sich
die Frau auf die Entladung vor, indem unwillkürliche Kontraktionen beginnen:
zuerst im ganzen Körper (Frösteln, Schüttelfrost), dann an der
Beckenboden-Muskulatur (unwillkürlicher Pressdrang). Der Druck des kindlichen
Kopfes auf den Beckenboden ist der ausschlaggebende Reiz für den Beginn der
Entladung der angestauten Energie in Form von unwillkürlicher Kontraktionen der
Beckenbodenmuskulatur und langen Ausatmungen bis zur Geburt des Kindes. Danach
fließt die in den Geschlechtsorganen konzentrierte Energie zurück in den Körper
und wird als Genugtuung und Wohlbefinden empfunden, was übergeht in Gefühle von
Zärtlichkeit und Dankbarkeit, die sich durch das Annehmen des Kindes in den
unmittelbaren Stunden nach der Geburt ausdrücken.
Eine Frau,
die mit ihrer sexuellen Energie ihr Kind bekommt, entlädt sich bei der Geburt
des Kindes und gewinnt ihre gesamte Energie danach wieder zurück. Sie kennt keinen
Schüttelfrost nach der Geburt, sie fühlt sich befriedigt und voller
Zärtlichkeit.
Die
physiologische Funktion des Schmerzes ist es, den Körper vor Schäden zu
bewahren, indem er im Falle eines Angriffes ein Alarmsignal entsendet, damit
der Angegriffene handeln kann, um sich dem Angriff zu entziehen. Schmerz macht
folglich aktiv!
Da die Geburt ein physiologischer Vorgang ist, scheint der Schmerz paradox; so ist es wahr, dass die Psychoprophylaxe in ihren Anfängen den Geburtsschmerz als negative Konditionierung der Frauen bezeichnet hat – eine ihrer falschen Vorstellungen.
Tatsächlich
stellt die Geburt aus physiologischer Sicht ein Paradoxon dar: damit die Frau
einem anderen Menschen das Leben schenken kann, muss sie gegen ihren eigenen
Körper gehen, muss einen Angriff des Kindes auf ihre Eingeweide erleiden, der
dem Selbsterhaltungstrieb entgegen steht. Ein Angriff auf seine Integrität setzt den Körper in
Alarm, er weist mit Hilfe des Schmerzes auf die Gefahr hin und produziert physiologischerweise Verteidigungsreaktionen (Angriff oder
Flucht). Die Geburt verkörpert in gewissem Sinn einen Kampf zwischen
Selbsterhaltung und Selbstaufgabe. Der Prozess der Öffnung der Eingeweide, der
starke Druck auf die Gelenke und Nerven im Kreuzbeinbereich ist ja tatsächlich
nicht gefahrlos für Mutter und Kind; somit ist der Schmerz ein wertvoller
Führer , in dem er auf die Gefahren hinweist und der Frau die Möglichkeit gibt,
durch Bewegung situationsentsprechend zu reagieren. Die passende Bewegung
während der Geburt ist der Angriff, das Entgegengehen (bei Flucht würde die
Frau sich verschließen, zurückziehen, ein Geburtsfortschritt wäre unmöglich).
Wie wir
sehen, ist also die physiologische Antwort auf den Schmerz die Bewegung. Die
Bewegungsfreiheiterlaubt der Frau instinktiv die Positionen einzunehmen, die
den Schmerz lindern, was die Positionen des geringsten Widerstandes und Druckes
sind. Dadurch schützt die Frau sich selbst vor Schäden am Becken, am
Gebärmutterhals und am Beckenboden, sowie das Kind vor Einstellungsanomalien
und zu starken Druck auf seinen Kopf, was den Streß verringert.
Eines der
stärksten Gefühle während der Geburt ist die Notwendigkeit, sich vom Kind zu
trennen. Von einem Kind, das
gleichzeitig ein eigenständiger Mensch und Bestandteil der Frau ist.
Erträumtes Kind, phantastisches Kind, reales Kind. Das Loslassen eines Teiles
von uns selbst oder von jemandem, der uns sehr nahe steht, ist immer
schmerzhaft, schwierig und oft ungewollt. Im Falle der Geburt ist die Trennung
gleichzeitig ersehnt und gefürchtet, belastet auch vom Aspekt des Unbekannten
des realen Kindes. Der Schmerz hat die doppelte Funktion, die Frau ohne
Verzögerung in Richtung Trennung zu bewegen, in eine Richtung, in die sie sich
vielleicht freiwillig nie bewegt hätte, ihr klar zu machen, dass die Geburt
unvermeidlich und notwendig ist, aufgrund der Lokalisation des Schmerzes im
Bauch die gesamte Aufmerksamkeit der Frau auf diesen Prozess zu konzentrieren,
ohne Ausweg, die Aufgabe muss erfüllt werden. Gleichzeitig ist der Schmerz
selbst Ausdruck und „Ausbruch“ des durch die Trennung verursachten emotionalen
Leidens. Der Schmerz bestimmt die Zeit und die Zeit ist bei Trennungsprozessen
wichtig und individuell unterschiedlich.
Auch in
diesem Zusammenhang kann die Hebamme als Unterstützerin eine wichtige Rolle
übernehmen. Der Trennungsprozess kann erleichtert werden, wenn in der
Schwangerschaft eine gute Verbindung zwischen Mutter und Kind gefördert wird.
Durch innere Zwiesprache von Mutter und Kind wird das Kind zum Individuum, wird
der Mutter vertrauter, weniger fremd und nicht nur in ihrer Vorstellung
existent. Je mehr Mutter und Kind miteinander kommunizieren, desto leichter fällt
die Trennung; die Geburt verläuft dadurch schneller und weniger schmerzhaft.
Sich dem
Schmerz zu stellen macht Angst und Beklemmung, ihn über viele Stunden lang ertragen zu müssen, stellt die persönliche
Stärke auf die Probe. Der Schmerz löst also eine regelrechte existenzielle
Krise aus, er mobilisiert alle emotionalen Ressourcen der Frau, entfacht alte
„Herde“ der persönlichen Lebensgeschichte, die im Unterbewusstsein (Thalamus und limbisches System)
gespeichert waren und bietet die Möglichkeit, alte Schmerzen abzuladen. Der
Geburtsschmerz bringt die Frau an ihre äußersten Grenzen, bis sie das Gefühl
hat, alle ihre Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben; dieser Augenblick
entspricht der Kapitulation („ich kann nicht mehr!“), bedeutet komplette
Hingabe und ermöglicht es ihr, im Fluss zu sein mit den starken Energien ihres
aktiv arbeitenden Körpers. Die Hingabe ist gleichbedeutend mit dem
Überschreiten der eigenen Grenzen, sie bringt den Geburtsfortschritt und
steigert die persönliche Stärke der Frau, verändert ihre soziale und
persönliche Stellung. Dieses Wachsen der eigenen Stärke aufgrund einer
Grenzerfahrung (z.B. auch bei schwierigen Geburtsverläufen) steht für die
Reife, die nötig ist, um die Elternrolle einnehmen zu können.
Die verschiedenen Schmerzreize:
Der
Schmerz hat seinen Ursprung in zwei Bereichen; zum einen in der Körperregion,
in der der Angriff stattfindet (= peripher/körperlich), zum andern im
Kleinhirn, wo unsere Erfahrungen, Emotionen, Instinkte in unserem Unterbewusstsein gespeichert sind
(=
zentral/psychologisch). Die peripheren Reize aktivieren das zentrale
Nervensystem und beide zusammen bestimmen die individuelle Schmerzempfindung.
Es handelt
sich hierbei um Eingeweideschmerzen, die durch Überdehnung, Risse und Ischämie
der Uterusmuskulatur verursacht werden.
Dehnung und Mikroverletzungen des Gebärmutterhalses, Dehnung des unteren Uterinsegmentes, Dehnung der Mutterbänder und Eileiter, Druck auf die Nervenenden im Lumbo-Sakral-Bereich, Druck auf die Beckengelenke, Ischämie der Uterusmuskulatur und daraus folgender metabolischer Azidose, Hypertonie oder Spasmen der Gebärmutter.
Negative Konditionierung: ungünstige kulturelle Faktoren, frühere eigene traumatische Erfahrungen oder Erzählungen, schwieriges Verhältnis zu Schmerz, eigene schmerzhafte Geburtserfahrung, ) die Rolle der Frau in de Gesellschaft usw.
Kulturelle Prägung: Der Wert oder die Wertlosigkeit, die dem Leiden in der eigenen Kultur beigemessen wird, dem sozialen Erleben der Geburt, dem Frausein, der Beachtung und Behandlung von Schmerz, seine gesellschaftliche Anerkennung
Persönliche Erfahrungen:
alle schmerzhaften eigenen Lebenserfahrungen, der Grad des mit sich selbst in
Kontaktseins, Ängste, emotionale Belastung durch ungelöste Probleme, die eigene
Sexualität, die eigene Geburt, die Einstellung zu Veränderungen, emotionale
Reife usw.
Wir
unterscheiden drei grundlegende Dimensionen von Schmerz, die aber gleichzeitig
auftreten, sich gegenseitig stimulieren oder hemmen können. Sie sind
verantwortlich für die Einschätzung das Empfinden des Schmerzes: die Art und
Weise, wie er emotional angenommen, erlebt und bewertet wird, auch abhängig vom
kulturellen Hintergrund und dem Erkenntnisstand einer jeden Frau.
Schmerzempfinden,
Bewertung und Schmerzerfahrung werden also von zentralen Faktoren beeinflusst
und sind individuell verschieden. In den Geburtsvorbereitungskursen können
Hebammen auf allen drei Ebenen arbeiten. Jede Frau hat ihre individuelle
Eingangspforte, auf der Sie besonders empfänglich ist.
Hängt ab
von der langsamen Schmerzleitung von den Synapsen
über verschiedene Nervenfasern über den Thalamus zum somatosensorialen Cortex und ist verantwortlich für das Fühlen
der peripheren Schmerzen (wo ist der Schmerz, wie fühlt er sich an?)
Um diese
Dimension positiv zu beeinflussen können wir mit Massage, Berührung, Bewegung,
Wasser, Umschläge, Wärme oder Kälte arbeiten.
Hängt vor
allem vom limbischen System ab und ist verantwortlich
für die Reaktion auf den Schmerz (Akzeptanz, Lust, Angst, Verweigerung).
Sie kann
positiv beeinflusst werden durch ein hilfreiches, motivierendes Umfeld,
liebevolle Unterstützung und Begleitung.
Ist abhängig von den Projektionen des Kleinhirns auf die Großhirnrinde. Der Cortex erhält die sensorischen und affektiven Schmerzinformationen, analysiert sie, vergleicht sie mit vorausgegangenen Erfahrungen, kulturellen Werten und der gegenwärtigen Angst und aktiviert somit die beiden anderen Schmerzdimensionen, indem er sie hemmt oder weiter anregt. Die Großhirnrinde kann selektiv oder komplex reagieren. Ist das affektiv-motivierende System durch positive Erfahrungen oder Kenntnisse gestärkt, nimmt die Frau den Schmerz einfach wahr, ohne daß er mit unangenehmen (vegetativen) Reaktionen und Ablehnung verbunden ist. Ist dieses System jedoch von Angst und/oder negativer Konditionierung besetzt, kann schon ein leichter Reiz sehr schmerzhaft empfunden werden.
Auf die kognitiv-valutative Schmerzdimension kann besonders in der
Geburtsvorbereitung eingewirkt werden, d.h. vor der eigentlichen
Schmerzerfahrung. Wichtig ist die Wissensvermittlung über die Funktionen des
Geburtsschmerzes, die Förderung der Motivation, dem Schmerz entgegentreten zu
können, sowie das zur Verfügung stellen von „Handwerkszeug“, um mit dem Schmerz
umgehen zu können. So können Ängste abgebaut werden.
Zusammenfassend
können wir mit Dick-Read sagen, daß der individuelle
Ausdruck des Schmerzes eine sensible Wahrnehmung mit aktiver Reaktion und
emotionalem Gehalt ist.
Die
aufgeführten Argumente bieten genügend Elemente, um den Frauen diesbezüglich
eine Wahlmöglichkeit zu bieten. Ein Aspekt, der zum Schluß noch geklärt werden
sollte, ist ein kultureller. Das Leiden des Gebärens, das seit Jahrhunderten
mit Resignation, Unterwürfigkeit und Passivität behaftet ist, birgt in sich
eine Wertigkeit der Bestrafung für die sexuellen Freuden, die zur
Schwangerschaft geführt haben. Zu Recht werden Passivität und Bestrafung von
den heutigen Frauen abgelehnt. Den Geburtsschmerz aktiv zu wählen als Teil
einer Erfahrung sich selbstbewußt zu erleben, als Mittel, von der Erfahrung
selbstgewählter Passivität zur Möglichkeit zu gelangen, mit sich selbst im Fluß
zu sein, um die weiblichen Kräfte zu stärken, das ist schwierig, kann es doch
die patriarchalische Sichtweise komplett umstürzen und somit Befürchtungen und
Ängste auslösen.
Grantley Dick-Read schrieb im Jahre 1930: „Es wird der modernen Frau
nicht erlaubt, bewußte Erfahrungen ihrer Empfindungen und ihres emotionalen
Echos zu machen; man beraubt Sie damit der Belohnung, die in der Bewußtheit der
Kraft ihrer Geburt liegt. Die Herren der Wissenschaft kennen diese Faktoren
nicht, weil sie sie nie erleben oder mit den Frauen teilen können.“
Ein
wichtiger Punkt in der Vorbereitung auf eine natürliche Geburt ist der, den
Frauen viele Möglichkeiten an die Hand zu geben, mit dem Schmerz umzugehen, so
daß der Geburtsschmerz auf sein physiologisches Maß reduziert wird, anstatt
durch Angst und Anspannung verstärkt zu werden.
·
Tiefe Bauchatmung mit
langer Ausatmung
·
Der Gebrauch der Stimme
mit offener Kehle
·
Gute Beweglichkeit des
Beckens
·
Die Fähigkeit, zwischen
Spannung und Entspannung zu unterscheiden
·
Die Fähigkeit,
angespannte Körperteile schnell zu entspannen: ein entspannter Muskeltonus beruhigt den vom Schmerz ausgelösten Alarm im
Gehirn und sorgt so für das Schließen der „Schmerz-Tore“ in den Hinterhörnern
des Rückenmarks (“Gate Controll“)
·
Bewegungsfreiheit
während der Geburtsarbeit
·
Massagen, warme
Umschläge, warmes Bad oder Dusche
·
kulturelle Dekonditionierung, Veränderung der Wertigkeit von Schmerz,
Schaffung von Motivation und Wahlmöglichkeiten
·
persönliche Dekonditionierung, Ausdrücken der eigenen Sichtweise,
positive Konditionierung, um Angst zu reduzieren und entsprechende Erwartungen
zu schaffen
·
Auseinandersetzung mit
den Möglichkeiten aktiven und passiven Haltungen dem Schmerz und den
Ereignissen gegenüber (je nach Schmerz und Situation)
·
Bekanntmachen der
Existenz und der Wichtigkeit der Pausen zwischen den Wehen
·
Stärkung von Instinkt
und Intuition
·
Förderung des Sprechens
über Gefühle mit dem Partner oder einer anderen Person
·
Die Unterstützung durch
eine bereits in der Schwangerschaft bekannte Hebamme
·
Schaffung einer
intimen, geschützten, instinktfördernden Geburtsumgebung
·
Fernhalten von
störenden und aggressiven Einflüssen
Zusammenfassend
stellen wir fest, dass sich auf alle Faktoren positiv auswirkt:
Die Förderung der Endorphinproduktion
Schlussfolgerung:
Wir haben gesehen, daß der Schmerz ein unerwünschter, aber fundamentaler Bestandteil einer natürlichen Geburt ist, er ist ein Element, das die Frau aktiv und stärker macht, den Grundstein legt für die Mutter-Kind-Beziehung und gesundheitsfördernd ist.
Seine
Unterdrückung kann beachtliche Komplikationen im Geburtsverlauf verursachen,
aber vor allem wird dadurch die Reaktionsfähigkeit der Frau gehemmt, so daß sie
geschwächt wird und eine großartige Möglichkeit verliert, eine wichtige
Selbsterfahrung zu machen. Eine gründliche Aufklärung muß diesen Faktoren
gerecht werden und wir sollten uns fragen, ob es sich nicht lohnt, schon vor
der Geburt intensiv mit diesen Themen zu arbeiten. Denn ganz sicher ist eine
natürliche Geburt mit dem damit verbundenen Schmerz nur denkbar mit der
Unterstützung und Begleitung einer „weisen Hebamme“.
Bibliographie
Der Artikel basiert auf dem Buch von Verena Schmid
„Il dolore del parto“, das
im März 2005 beim Hippokrates-Verlag in einer bearbeiteten und erweiterten deutschen Ausgabe unter dem Titel
Der Geburtsschmerz
zum Preis von 24,95 € erschienen ist.
Weitere von ihr für den Artikel verwendete Literatur:
R. Melzack: L’ENIGMA DEL DOLORE, aspetti
psicologici, clinici e fisiologici; Zanichelli ed.
J. J. Bonica ( a cura di): ANESTESIA E ANALGESIA IN OSTETRICIA, Il pensiero scientifico ed. Roma
M. Enkin, M. Keirse,
I. Chalmers: EFFECTIVE CARE IN PREGNANCY AND CHILDBIRTH, Oxford University
Press (tradotto
in italiano dalla Red. edizioni, Como)
Procedure perinatali selezionate, Acta obstetrica et gynecologica scandinavica, suppl. 117, traduzione Lucia Ruffato, Ass. IL
MARSUPIO, Via Locateli 71, Firenze
M. Sbisà (a cura
di): COME SAPERE IL PARTO, p. 81 E; Terzian e A. Regalia: “Né arte né scienza: stereotipi
e ambiguità dei modelli di assistenza ostetrica”; Rosenberg
e Selliers ed.
M.ODENT, Psiconeuroendocrinologia
durante il parto, il post-partum e l’esogestazione,
atti editi a cura dell’associazione IL
MARSUPIO, V. Locatelli 71, Firenze
C.COLOMBO, F.PIZZINI, A.REGALIA, Mettere
al mondo, la produzione sociale del parto, Franco Angeli/La Società
A. van Gennep: I RITI DI
PASSAGGIO, Boringhieri ed.
W. Reich: LA FUNZIONE DELL’ORGASMO, Sugarco
ed
J.P. Relier: AMARLO PRIMA CHE
NASCA, Le Lettere ed. Firenze#